Die Stimmung ist angeheitert, der Lautstärkepegel unter dem gigantischen Adventskranz hat sich in den letzten dreißig Minuten verdreifacht. Das Schrottwichteln hat die Lethargie nach dem deftigen Gänseessen verscheucht. Alle sitzen vor ihren Neuerwerbungen und diskutieren. Missmutig starre ich auf die ausgestopfte Eule auf dem Ast vor mir. Wer hat in welchem Kellerloch dieses Fundstück ausgegraben? Vorsichtig gleitet mein Finger über ihren Kopf, er fühlt sich seidig an. Voll Selbstmitleid kippe ich einen ordentlichen Schluck Rotwein in mich und schaue hoch. Mir gegenüber sitzt Tom, die schwarzen Locken fallen elegant auf seine Stirn. Die großen braunen Augen sind zu schmalen Schlitzen mutiert und betrachten zehn Dosen Katzenfutter im Karton auf dem Tisch, er grummelt: „Wenn ich herauskriege, wer das abgeben hat!“ Seine Miene spricht Bände. Gut für den Spender, dass die Päckchen anonym abgegeben wurden. Tom, der notorische Katzenhasser. Ausgerechnet ihn hat dieses Geschenk erwischt ... Ich verspüre fast Mitleid mit ihm und lächle. Erneut wende ich mich der Eule zu. Ihre Augen starren, als wollten sie etwas mitteilen. Ein Bild schiebt sich vor mein Inneres. Große grüne Pupillen mit schwarzen Schlitzen, umrahmt von weichem grauem Fell. Minous hungriger Blick und das fordernde Miauen ... Behende stehe ich auf, packe den Vogel und wandere mit dem Weinglas zu Tom. Erstaunt schaut er hoch. „Was gibt‘s?“ „Tausche Eule gegen Katzenfutter. Du musst weniger schleppen, meine Katze wird satt. Deal?“ Er prustet los, ich nehme die Krähenfüße in seinen Augenwinkeln wahr. „In Ordnung. So habe ich schon was für nächstes Jahr Schrottwichteln.“  Wir stoßen an, seine Augen vertiefen sich in meine.

© Ursel Schmid