Corinna Stremme, auf Instagram mit @Ideenstifterei, Autorenchallenge #fühlmeinbuch

Kurztexte von Ursel Schmid

Intoleranz

Die Luft ist angenehm heiß auf ihrer Haut. Abena genießt die Wärme mit geschlossenen Augen. Sie versinkt an diesem kalten Wintertag in Erinnerungen an staubige Wege, das bunt bedruckte Kleid ihrer Schwester und die schwere Last, die sie unter der gleißenden Sonne tragen. Mit einem Schlag springt die Holztür auf und spuckt eine Horde von plappernden Frauen in die Sauna. Abena schaut sie an und spürt die Blicke, sieht heruntergezogene Mundwinkel und hochgezogene Augenbrauen. Verschämt rückt sie in eine Ecke, die Gruppe sortiert sich auf den Bänken. Eine alte Frau findet nur neben ihr Platz. Mit zusammengekniffenen Augen starrt sie die junge Frau an. Plötzlich quillt es mit blecherner Stimme aus ihr heraus. „Hier stinkt‘s, das ist ja nicht zum Aushalten. Setz dich woanders hin oder geh raus.“ Die Stille wird noch bleierner. Auf einmal friert es Abena.

 

So oder anders ... kann es jederzeit passieren. Intoleranz, ein schwer zu ertragendes Verhalten, selbstgerecht und kernig formuliert. Das schlimmste für die Opfer ist neben der Ausgrenzung oft eine ausbleibende Reaktion der Umwelt, dass keiner für sie einsteht. Corinna Stremme hat  mit dem Thema Intoleranz wieder einen wichtigen Impuls gesetzt.

© Ursel Schmid 

Geborgenheit

Verlegen zieht die Möwe Kreise,

verirrt vom Fluss über den Ahorn.

Ich liege, weich gebettet von der Wärme,

die blieb, als du mein Lager verließt.

Mein Herz dehnt sich aus

wie ein Kranich im Übungsflug.

Der ganze Tag liegt vor mir,

ohne dich, und doch erfüllt von dir.

Der Möwe Ruf ist verklungen,

sie fand zurück zu ihren Gefährten

am Wasser, glücklich lächelnd.

 

Geborgenheit. Ein Gefühl, das wir, wenn wir Glück haben, schon als Kind erleben. Wenn die Eltern uns liebevoll umarmen. Krank im Bett liegend hören wir das Klappern aus der Küche und Gemurmel der Familie, kriegen einen Tee oder Hühnersuppe gereicht. So viele Formen der Geborgenheit unter Liebenden. Ein wunderschönes Gefühl. Aus genau so einem warmen Gefühl heraus verfasste ich das obige Gedicht.

© Ursel Schmid

 

Überforderung

Überforderung ... ein Gefühl, das vermutlich jeder Mensch im Leben mehr oder weniger spürt. Wenn zuviele Aufgaben auf uns einprasseln. Wenn die Schicksalspäckchen uns niederdrücken und die Kraft ausgeht. Wenn es dunkel um uns scheint. Und doch ist da auch die Kraft in uns. Und die uns liebenden Menschen, die mit uns gegen den Sumpf angehen. Ein Hoch auf das Miteinander. Dankeschön an Corinna Stremme von @ideenstifterei für #fühlmeinbuch für das Thema "Überforderung". Dieses Gedicht schrieb ich vor einigen Jahren.

Durch die Wand

Die Außenwelt ist außen vor.

Wie kam ich rein, wo ist das Tor?

Das Dunkel sog mich in sich rein,

jetzt richte ich mich häuslich ein.

 

Nur zögernd taste ich die Wand,

die Kälte, Härte, ihren Rand,

kein Loch, kein Hauch von Außenluft,

schon gar kein heimeliger Duft.

 

Kalt ist es hier, ich bin allein,

so arg, dass ich vor Kummer wein.

Die Kraft lässt nach, das bisschen Wut,

allmählich schwindet mir der Mut.

 

Werd ich je einen Ausgang finden,

um aus dem Dunkel zu verschwinden?

Hier sieht mich niemand, ich sollte schreien,

statt mich der dunklen Grotte weihen.

 

Wenn ich doch reinkam, geht’s auch raus,

aus diesem hässlich fiesen Haus,

das ich mir selber so gebaut.

Ich klopfe, leise erst, dann laut.

© Ursel Schmid

Neugier

Neugier begleitet uns oft, wenn wir fremde Orte entdecken, auf Reisen sind. So geht es auch meiner Protagonistin Sabrina ....sie trifft auf ihrer Dienstreise nach Rabat auf eine Wahrsagerin. Welche Frage stellt sie sich? Wird ihre Neugier gestillt?

Danke an Corinna Stremme von #ideenstifterei für die tolle Challenge. 

 

Sabrina versuchte, sich auf Französisch zu verständigen. Die alte Frau begriff nicht, zeigte dann mit einem knochigen Finger auf den Vogel und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Sabrinas Neugier war geweckt. Sie legte ein paar Münzen vor die Wahrsagerin, die daraufhin den Vogel anstupste. Er wählte aus dem gefächerten Angebot eine Karte und pickte sie heraus. Die alte Dame betrachtete ihre Kundin aufmerksam und schaute von der Karte zu ihr.

© Ursel Schmid

Albernheit

Zu Albernheit ist mir eine Szene in den Sinn gekommen, die widersinnig wirken mag, für mich aber in ihrer Ambivalenz Sinn macht.

 

Der von pastellfarbenen Blumen übersäte Sarg wird an uns vorbeigetragen. Die Trauergäste stehen am offenen Grab. Mir fällt ein, wie meine Freundin und ich mit sechzehn Passfotos erstellten. Wir quetschten uns gemeinsam in die Minikabine hinter den Vorhang. Sie bekam das erste Foto, für das sie Glubschaugen nachahmte und die Zunge herausstreckte. Ich warf mich in Positur für das zweite Blitzlicht, zog kräftig meine Ohren nach vorne und pustete die Backen auf. Wir grinsten uns frech an und prusteten los. Der Schwarzweiß-Automat nahm gnadenlos die Fratzen sowie die albern entgleisenden Gesichtszüge auf. Gackernd warteten wir auf die Ausgabe des Dokumentes unserer Freundschaft. Ich besitze das Foto noch heute. Meine Schultern zucken plötzlich, laute Töne krabbeln den Hals hinauf. Hektisch versuche ich, das Giggeln im Schal zu ersticken, was mir zunehmend misslingt. Ich winde mich zwischen den Freunden durch und sprinte ein paar Gräber weiter. Fassungslos sinke ich auf einen Grabstein. Das Beben des Oberkörpers ebbt langsam ab. Die Tränen fließen haltlos die Wangen herunter und weigern sich, aufzuhören, als mir bewusst wird, dass ich nie wieder mit meiner Freundin zusammen lachen werde.

© Ursel Schmid

Rache

Rache ... ein mächtiges Gefühl und starke Triebfeder für viele dramatische Begebenheiten. Ich habe als Beitrag eine kleine Geschichte für euch.

 

Es war nicht leicht, die Zutaten zu beschaffen. Ich grub alle botanischen Kenntnisse aus, wurde aber fündig. Beim Pilze sammeln erkannte ich die weißen Lamellen und die abgesetzte Knolle an der Basis sofort. Ich legte den Fund in mein Körbchen mit den Champignons und Steinpilzen.

„Schatz, ich koche heute. Ich mach dein Lieblingsgericht, Pilzpfanne. Du bist nicht böse, wenn ich nicht mitesse, ich mag immer noch keine Pilze“.

Clara schaute nur kurz von ihrem Buch auf und nickte. Wie ich diese selbstverliebte Miene und ihren Designerfummel hasste. Man wurde so klein neben ihr, und gänzlich unsichtbar.

Ich schnippelte fleißig, klapperte mit den Tellern und der Pfanne und begab mich ans Werk. Der leckere Buttergeruch füllte die Küche, Zwiebeln und Pilze verschmolzen zu einem appetitlichen Duft. Ein paar frische Kräuter, und fertig war das Pilzgericht. Es sah vorbildlich aus. Ich schlenderte mit dem Teller zum Sofa. Ohne aufzuschauen, nahm Clara das Essen und las weiter. Ich schloss verärgert die Augen.

Sie griff zum Besteck und schaufelte langsam einen Bissen in sich hinein, den Blick weiterhin in ihre Lektüre vertieft. Gespannt schaute ich auf ihr Gesicht. Auf einmal sagte sie: „Ach, du kannst ja doch kochen, wer hätte das gedacht, das schmeckt gar nicht so schlecht!“

Ich atmete flach aus: wenn du nur wüsstest ...

© Ursel Schmid

 

Verlegenheit

"Verlegenheit" war das Thema in dieser Woche, das passt auf eine Szene in "Sabrina", als sie unerwartet etwas sah, was sie nicht sehen wollte ... 

 

Auf Cays Worte konzentriert, hörte Sabrina das gemütliche Plätschern der Wellen. Die kreischenden Möwen umschwirrten sie und der feine Sand umschmeichelte ihre Füße. Sabrina hob den Blick. Der blieb haften auf zwei kräftigen behaarten Beinen. Dann sah sie einen männlichen Leib mit wulstigen Ausbuchtungen am Bauch, die das Geschlecht überdeckten. Feine blaue Äderchen durchzogen die bleiche Haut. Ein älterer Mann schaute sie an. Verlegen leckte Sabrina sich über die salzigen Lippen und wandte den Blick ab. 

© Ursel Schmid

Kummer

Dieses Mal fordert Corinna uns heraus mit dem Gefühl "Kummer". Mein Beitrag ist aus einem Märchen, das ich vor Jahren geschrieben habe. Als kleines Mädchen hatte ich die Geschichte gelesen und sie  nie wiedergefunden. Also schrieb ich das Märchen für mich neu: "Die Prinzessin und der Regenwurm". Es blieb das einzige Märchen ;-) Das Bild hat die Künstlerin Gabriele Lutterbeck für  mich damals zum Märchen gemalt.

 

Der Morgen kam, und ging. Er aber kam nicht. Wie ein gefangener Panther lief die Prinzessin in ihrem Gemach auf und ab. Ihr langes silberbesticktes Gewand schleifte wie ein gedemütigter Schleier hinter ihr her. Sie knackte ungeduldig mit den Fingerknochen, und das Geräusch ging ihrer Zofe durch Mark und Bein. Sie meinte fast, das Herz ihrer Herrin brechen zu hören. Die Rose am Ausschnitt der Prinzessin wurde welk, und blass wie ihr ihr Angesicht, das Zug um Zug die Konturen einer marmornen Statue annahm.

© Ursel Schmid

Glück

Diesmal ist es das schöne Gefühl "Glück".  Glück kann so vielfältig sein, es durchströmt mich beim Streicheln eines Pferdes, beim Betrachten herrlicher Landschaften, beim Hineinbeißen in eine rosig glänzende Praline, beim Klönen mit meinen Freunden, bei ... Ich habe nochmal einen Beitrag aus "Sabrina" eingefügt zum "Liebesglück".

 

Wohlig seufzte sie und schloss die Arme um ihn.

»Du bist mir unglaublich nah, obwohl wir uns noch nicht lang kennen, es fühlt sich vertraut und richtig an.«

Sie küsste seinen Nacken. »Ich könnte dich gerade auffressen vor lauter Glück.«

Cay lachte. »Na dann bin ich froh, dass wir gut zu Abend gegessen haben und du satt bist!«

Eng aneinandergekuschelt schliefen sie ein. 

 

© Ursel Schmid

Hass

Zum Thema "Hass" von Corinna Stremme für #fühlmeinbuch fiel mir meine unveröffentlichte Kurzgeschichte "Das geheime Leben der Parkbänke" ein, aus der ich einen Textschnipsel beitrage:

 

"Ein Lavastrom der Empörung durchschoss Klaus. Die Respektlosigkeit des pickeligen Hänflings wühlte in seinen Innereien. Alle Ungemach der letzten schlaflosen Nacht heizte seinen Ärger an, in seinem Kopf hämmerte und pochte es."

 

© Ursel Schmid

Überraschung

Birgits Torte zu meinem 30. Geburtstag war herausragend, die Karamell Note versüßt mir den Heimweg. „Komm wenigstens auf einen Kaffee vorbei, ich habe extra für dich gebacken“. Ihr Anruf weckte mich aus dem Tiefschlaf nach dem anstrengenden internationalen Auswahlverfahren. „Es gibt kein Fest, drei Tagen später ist meine Abschlussprüfung, ich werde nur noch schlafen“, verkündete ich vor den Freunden. Ich feiere sonst immer! Betrübt radele ich nach Hause und stutze in der Nebenstraße. Was macht Peters grüner mit Blumen bemalter VW-Bus hier? Die Geschäfte sind schon geschlossen. Ich stelle das Rad vor dem Tor ab, schließe auf und werfe einen Blick auf meine Hochparterrefenster. Etwas ist anders. Müde reibe ich mir die Augen und parke das Gerät in den Schuppen. Im Hausflur duftet es nach Suppe. Die Totenstille im Haus springt mich an, sie raunt mir zu. Ich schließe die Wohnung auf, halte inne, gehe weiter. „Happy Birthday“, das laute Singen trifft meinen Gehörgang mit voller Wucht. Gerührt schaue ich in einen Haufen grinsender Gesichter.

© Ursel Schmid

Scham

Zum Thema Scham fiel mir ein "Drabble" ein, eine Kurzgeschichte in genau 100 Worten. 

 

Wir sind im verschneiten Kloster im Bett. Tante Hannah hat uns Teenagern drei Tage Urlaub unter ihren wachsamen Augen geschenkt. Mädels in einer Kemenate, Jungs am Ende des Flurs. Die Nonnen sind streng. Ich träume von der wackeligen Schlittenfahrt mit Marillenschnaps ins Dorf. Verwirrt blinzele ich ins Dunkle. Das Bett knarzt, neben wir eine walförmige Ausbuchtung, stoßweises Atmen. Meine benebelten Sinne sortieren die Lage. "Mach weiter." Röte steigt mir ins Gesicht, ich will mich verkriechen. Soll ich in das nun freie Bett zum wunderhübschen Blondschopf tapsen? Ich beschließe, wieder einzuschlafen. Morgens wache ich gerädert auf. Lara hat Ringe unter den Augen.

© Ursel Schmid

Mut

Auch das Thema Mut passt für Sabrina. Sie muss nach einer Krise in ihrem Leben den Mut aufbringen, sich alten Ängsten zu stellen.

 

"Sabrina lief langsam los. Bei den ersten Schritten jagten abwechselnd Hitze- und Kälteschauer den Rücken hoch, sie atmete flach und schnell. Fina folgte, die Ohren waren gespitzt und drehten sich wie Radarschirme nach vorn und hinten. Skeptisch betrachtete Sabrina von der Seite den Leib des Pferdes, suchte nach Zeichen von Muskelanspannung. Würde sie steigen, gar lospreschen? Die kräftige Stute stapfte unbeirrt nebenher und schnaubte zufrieden. Langsam löste sich Sabrinas Angespanntheit, die holte tief Luft und lief geschmeidig an Finas Seite."

© Ursel Schmid

Angst

Zum Thema Angst lässt sich viel sagen. Es gibt wohl kaum einen Menschen, dem dieses Gefühl fremd ist.

 

Ich lasse meine Protagonistin Sabrina sprechen, in dieser Szene aus meinem Roman "Sabrina" erlebt sie Angst hautnah.

 

© Ursel Schmid